Das Gesellschaftssystem der Drei Kreise

12.07.2020 von Michael Dunaway
Das Gesellschaftssystem der Drei Kreise


"Fasst die Flügel des Vogels in Gold und er wird sich nie wieder in die Lüfte schwingen!"

Rabindranath Thakur (Tagore)
Bengalischer Dichter, Philosoph, Maler und Komponist, 1861-1941.
Erster asiatischer Nobelpreisträger (Literatur 1913)

Bekanntlich gibt es ein Leben vor dem Tod, was eine wieder zunehmende Zahl unserer Artgenossen mitunter erst merkt, wenn nach 40 Jahren des beruflichen Masochismus der "Sensenmann" vorzeitig an der heimischen Haustür anklopft (Klingeln ist ihm zu banal!). Der Wert des menschlichen Lebens bemisst sich im 21. Jahrhundert hauptsächlich an seiner für die Interessen der Ökonomie relevanten Leistungsfähigkeit. Wir unterhalten eine pathogene Weltgesellschaft, in welcher schulischer und beruflicher Leistungsfanatismus den menschlichen Bedürfnissen zunehmend den Boden unter den Füßen wegzieht, wo der finanzielle Profit alle schützenswerten zivilisatorischen und kulturellen Errungenschaften der letzten Jahrtausende zunichte zu machen droht. Wir gehen mit unserem Leben vielfach so um, als ob es nur dazu da sei, es in lebloser Pflichterfüllung gegenüber Anderen schnellstmöglich zu durcheilen.


Die Meisten von uns schränken ihr eigenes Leben ein, um das weniger Anderer zu versüßen. Die wirtschaftliche Globalisierung, derzeit nur ein anderes Wort für die Hegemonialökonomie mächtiger Nationen und Konzerne, hat schon vor Jahren geradezu menschenverachtende Züge angenommen. Freiwillig oder unfreiwillig sind Milliarden von arbeitenden Menschen Tag für Tag damit beschäftigt, sich selbst nach und nach ihrer gesamten Lebenswerte zu berauben, nur damit die Renditen der Unternehmen und Börsenspekulanten immer höhere Gipfel erklimmen.
In einem beispiellosen Akt der politischen Tatenlosigkeit lässt die Weltgesellschaft es heutigentags zu, dass überlebenswichtige Ressourcen wie Trinkwasser, Nahrungsmittel und Energieträger zu höchst gewinnträchtigen Spekulationsobjekten pervertiert werden. Die Geschwindigkeit, mit welcher der monetäre Größenwahn Weniger die existenziellen Nöte Vieler überrollt, ist erschreckend wie nie zuvor in der Geschichte des Homo Sapiens. "Nach mir die Sintflut" ist das offen zelebrierte Credo derer, die dem Wohlstand ihres Lebens ohne jede Rücksichtnahme auf die Sprünge helfen. Ergo nehmen sie sich, was immer sie in ihren Heimatländern und anderswo abscheffeln können.
Wohlwollende Unterstützung finden sie dabei unter ihren politischen Freunden ebenso wie in den Expertisen fragwürdiger Fachleute, deren Aufgabe augenscheinlich darin besteht, auch den letzten Winkel der Welt mit einem Wirtschaftssystem namens Freie Marktwirtschaft zu infizieren, in welchem viel Geld zu noch mehr Geld fließt, und wo großer Einfluss zu noch mehr Einfluss führt. Ein System, das in den westlichen Industrienationen schon vor mehr als 150 Jahren angetreten ist, die Weltwirtschaft sukzessive in zwei Lager zu spalten. Nämlich in das der weitgehend einflusslosen arbeitenden Bevölkerung und in das des einflussreichen, von der möglichst billigen Arbeitskraft und dem Geld Anderer lebenden Establishments.


Hoch auf den Logenplätzen der internationalen High Society, wo sich Wirtschaftsbosse, Politiker, Adelsgeschlechter und Prominente auf Privatveranstaltungen allzu oft die Hand zum Verrat am gemeinen Volk reichen, da liebt man es, sich als die verantwortungsvollen Wohltäter an Mensch und Gesellschaft zu feiern. Doch wo irreführende Darstellungen zum politischen Alltagsgeschäft zählen, wo die arglistige Täuschung fester Bestandteil der Kundenakquisition in der Konsumwirtschaft ist, wo Krankenhaus- und Pflegeheimbetreiber, Pharmakonzerne, Ärzte und Krankenkassen ein für den Laien undurchsichtiges Netzwerk der Gewinnmaximierung auf Kosten der Patienten unterhalten, wo Hochschulprofessoren es in Ordnung finden, dass ein Konzernmanager mehr als hundert mal soviel verdient wie ein Arbeitnehmer, wo Menschen ihre Familien nicht mit dem Nötigsten versorgen können, obwohl sie ganztägig arbeiten, wo Wirtschaftsunternehmen Mitarbeiter nur deshalb entlassen, weil die Aktionäre mit ihren ohnehin schon überzogenen Gewinnmargen nicht mehr zufrieden sind, wo Banker und Börsenspekulanten ihre Gewinne ganz legal aus der wirtschaftlichen Not ihrer Mitmenschen, ja ganzer Volkswirtschaften generieren, wo Wirtschaftsimperien wie die USA oder die EU selbst die ärmsten Länder der Welt trickreich bei der Vermarktung ihrer Produkte behindern, da sind allfällig niederträchtige Artgenossen am Werk, die sich die Welt nicht mehr lange leisten kann.


"Regieren ist keine Sache für Leute von Charakter und Erziehung"!

Aristophanes
Athenischer Dichter, 445-385 v. Chr.


Es ist ganz allgemein das weltweit seit Jahrtausenden funktionierende "System der Drei Kreise", welches dem gesellschaftlichen Establishment seine Privilegien auf Kosten überwiegend der arbeitenden Bevölkerung sichert. Was schon den Pharaonen Ägyptens recht war, ist heutigen Machthabern nur billig. Dieses gesellschaftliche Unterdrückungsverfahren ist einfach aufgebaut. Im Inneren Kreis befindet sich die Gilde der Reichen und Einflussreichen. Im mittleren treffen wir auf die Politik. Im äußeren Zirkel finden wir das "gewöhnliche" Bürgertum. Es liegt auf der Hand. Der mittlere Kreis, die Aktionsebene der Politik also, ist der unverzichtbare Moderator zwischen der gesellschaftlichen Elite und dem "Fußvolk". Hier wird die Klassengesellschaft am Leben erhalten. In diesen Tagen schön zu beobachten bei den Briten, deren konservative Politiker die Bevölkerung in Sachen Brexit gerade schön an der Nase herumführen.

Der Politik käme nun die moralische und institutionelle Aufgabe zu, dafür zu sorgen, dass zwischen dem inneren und dem äußeren Kreis, zwischen Hight Society und Bürgertum zumindest ein halbwegs faires Miteinander zustande kommt. Besser noch wäre es, das weltweit verbreitete Klassensystem könnte von hier aus zerschlagen werden. Doch weit gefehlt.
Im politischen Übergangsbereich zwischen Oben und Unten wird unablässig getestet, wie weit man die Masse der staatsbürgerlichen Unter- und Mittelklässler zugunsten der Oberklässler ausnehmen kann, ohne dass diese ernsthaft zu rebellieren beginnen. Wir wissen alle, dass die Staatsmacht immer erst dann zu Zugeständnissen an die meist berechtigten Wünsche der Bürgerinnen und Bürger bereit ist, wenn diese einen gewissen Mindestwiderstand organisieren. Das seit unzähligen Generationen gepflegte und bewährte Gespinst aus Macht und Moneten zwischen Politik und Oberschicht sorgt vorzugsweise im Verborgenen mehr denn je zuverlässig dafür, dass die angenehmen Dinge des Lebens auch weiterhin einen deutlichen Hang zur elitären Spitze der Gesellschaft aufweisen. Die Daten der Einkommensentwicklung unterschiedlicher sozialer Schichten sprechen weltweit Bände des Unrechts. Teure Elite-Universitäten und "Vitamin B" (eziehungen) bürgen dafür, dass die wichtigsten Hebel der politischen und wirtschaftlichen Macht häufig von Abkömmlingen der obersten Gesellschaftsebene bedient werden. Die USA sind hier ein Paradebeispiel, auch wenn Expräsident Barack Obama auf den ersten Blick wegen seiner Hautfarbe aus der Reihe zu tanzen scheint. Doch auch er ist ein Absolvent einer Elite-Uni! Die Politik, deren Daseinsberechtigung einzig darin besteht, die Lebensinteressen aller Bürger paritätisch zu vertreten, verdingt sich national und global als weitgehende Erfüllungsgehilfin der führenden Wirtschafts - und Gesellschaftskreise. Es gibt keine Nation auf dieser Erde, in welcher der Staat als Vertretung des Volkswillens seiner Aufgabe in einem akzeptablem Maße gerecht wird.

Wer Volksführer und Volksvertreter hat, braucht mitunter keine Feinde. Es ist ein bislang nicht auszurottender Umstand, dass sehr viele Politiker, die unsere Bürgerinteressen ausgewogen vertreten sollen, dazu charakterlich ungeeignet sind. Politisches Unvermögen, getragen von Machtstreben, Eigennutz, Inkompetenz, Lobbyismus und Korruption war und ist eines der Hauptübel der Welt. Unmittelbar gefolgt vom Unwissen über die wirtschaftspolitischen Zusammenhänge, der Leichtgläubigkeit der Menschen gegenüber politischen Parteien, Staat und Wirtschaft, von der Gleichgültigkeit und Bequemlichkeit der Staatsbürger, die es eigentlich in der Hand hätten, lebenswertere Verhältnisse dadurch herbeizuführen, dass sie sich gegen eine am Gesamtwohl oft desinteressierte Obrigkeit aktiv zur Wehr setzen oder in der Wahlkabine das Kreuzchen wenigstens mal an anderer Stelle machen. Objektiv betrachtet sind wir, die Bürgerinnen und Bürger aller Nationen, in erheblichem Maße dafür verantwortlich, dass Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit immer noch fern aller Realität sind. Wir berufen und dulden unsere Ausbeuter und Peiniger heute wie gestern.

Mit der UPE kann Europa die ersten wirklichen Schritte einleiten, dem gesellschaftlichen Leben in all seinen Aspekten eine neue, dem Menschen zugewandte Perspektive zu geben. Die UPE soll das werden, was viele etablierte Parteien bislang nur verbal vorheucheln: eine freiheitlich-demokratisch-rechtsstaatliche Bürgervertretung zum Wohle aller Mitglieder der europäischen Familie!